Attila der Hunnenkönig

Attila († 453) war kein Chorknabe, eher nobodys darling, soviel ist gesichert. Anfangs herrschte er mit seinem Bruder Bleda, der nicht nur einen etwas unglücklichen Vornamen hatte, sondern noch sehr viel unglücklicher abtreten musste – sein Bruderherz ließ ihn aus Profitmaximierungsgründen ermorden. Sowas spricht sich natürlich herum und bald wurde Attilas Namen nur mehr flüsternd ausgesprochen.

Es waren nicht die berüchtigten Gallier, die den Römern Kopfschmerzen oder gar Schlimmeres bescherten – es war der Mann aus dem Gebiet des heutigen Ungarn, der sich aufgrund seines nicht immer diplomatischen Verhaltens bald einen unschmeichelhaften Beinamen einfing – die „Geißel Gottes“, wobei das manche Historiker mittlerweile entspannter betrachten und es als gelungene PR für einen mächtigen Herrscher interpretieren. Bad news are good news.

Der Geschichtsschreiber und Zeitzeuge Priskos vermutete ebenfalls, viele der Gräuelgeschichten seien Fake-News und Attila ein maßvoller, geradezu umgänglicher Genosse gewesen … im wahrsten Sinne zum Pferdestehlen. Eine Geißel zu sein war damals noch eine unique selling position, heute sind wir diesbezüglich bereits reizüberflutet: Leere Smartphone-Akkus, Steuererklärungen, schlecht durchlüftete U-Bahnen, fünf Minuten Zeitverlust im Morgenverkehr, Werbeblöcke, ein G’spritzter ohne Kohlensäure!

Attilas Charisma war so stark, dass er mit legendären Hauptrollen im mittelalterlichen Hollywood geehrt wurde: als König Etzel im Nibelungenlied oder der Dietrichepik. 1846 hat mit etwas Verspätung Giuseppe Verdi mit seiner neunten Oper Attila – dramma lirico den passenden Soundtrack geschrieben. Verdi selbst sprach in einem Schreiben an die Gräfin Maffei, am Tag nach der Premiere von einem „anständigen“ Erfolg.

Im Burgenland hat sich seitdem Vieles sehr viel freundlicher entwickelt. War früher Attila als „Hunnenkönig“ berüchtigt, werden heute Menschen, die sich um die Wein- und Landwirtschaft bemühen gerne zu „Kaisern“ oder gar „Päpsten“ geadelt. Der Vorteil heute: es geht längst nicht mehr um Kopf und Kragen. Und trotzdem ist Attila immer noch die Legende rund um den Neusiedler See, wenn es darum geht, über sagenhafte Schätze zu fabulieren.

Denn zur ungebrochenen Präsenz beigetragen hat sicher, dass der Chefhunne einst in einem dreiteiligen Sarg aus Gold, Silber und Eisen bestattet wurde. Unter völliger Geheimhaltung – keine Liveübertragung, keine Pressekonferenz, kein Online-Kondolenzbuch. Seine treuesten Kämpfer nahmen das Geheimnis seiner letzten Ruhestatt samt des sagenhaften Schatzes mit in ihr Grab – bedauerlicherweise auch die Gefangenen, die die Grube aushoben.

Wann und woran er starb?

Im Jahre 453, nicht in heroischer Schlacht, sondern etwas unpassend in seiner Hochzeitsnacht. Woran er starb, konnte nie geklärt werden, lässt sich aber eingrenzen: an seiner Braut Hildico (eine schöne, aber resche Gotin) oder seinem riskanten Lebenswandel (weniger schön, aber ebenso resch). Auch ein Leibwächter wurde verdächtigt, sein Jobprofil grob missinterpretiert zu haben. Der Gärtner war’s jedenfalls nicht – ein echter Hunne hatte keinen Ziergarten. Eine schriftlich hinterlassene Erinnerung scheint allerdings darauf hinzudeuten, dass die totale Maßlosigkeit ihn lächelnd abtreten hat lassen – irgendwie dann doch wieder ein Heldentod.

„Er verband sich mit ihr, und in zu großer Freude über die Hochzeit erregt, lag er zurückgelehnt, von Wein und Schlaf beschwert, wobei ihn das Blut erstickte, das aus seiner Nase quoll, da es in seinem gewöhnlichen Fluss gehindert wurde und ihn durch einen tödlichen Abfluss aus dem Schlund tötete.“

Doch zurück zu seinem legendären Grab: wenn Sie rund um den Neusiedler See tiefe Löcher sehen, dann sind das keine Fuchsbauten, sondern die stillen Zeugen heimlicher Grabungen in dunklen Neumondnächten. Die Burgenländer graben seit mittlerweile über 1500 Jahren. Da ist man statistisch gesehen schon ziemlich weit fortgeschritten. Wir wissen zwar, dass man seltsamerweise Verlorenes immer dort findet, wo man zuallerletzt gesucht hat – aber irgendwann muss ja Schluss sein. Hoffnung macht auch, dass das Burgenland Österreichs kleinstes Bundesland ist und nachdem der Attila ein Genießer war, kann er eigentlich nur in unmittelbarer Seenähe liegen.

In letzter Zeit jedoch wird immer weniger gegraben. Es scheint, als ob die Burgenländer etwas bedeutend Wertvolleres gefunden haben. Es ist die Region, die kostbarer ist als jedes Gold. Und diesen Schatz gilt es zu bewahren.


Nikolaus Eberstaller